"Einmal Punk, immer Punk."
(Inga Humpe, 2013)
DJane Vira wollte das Augsburger Parktheater rocken. Die legendäre Frankfurter Turntable-Queen lud vergangenen Samstag zusammen mit dem Kurhaus Göggingen zur Disco -50+.
Eins vorweg: Ich bin nicht unbedingt schwellenangstbehaftet, was die Location und das Publikum angeht, wenn meine Nase eine mehrstündige Abhottchance wittert. Rock 'n' Roll + 70er-Disco + 80er-Sound = Non-Stop-Dancing-Garantie. Große Vorfreude also meinerseits. Hatte ich doch Anfang Januar zu genau diesem Mix in Berlins legendärstem Tanztempel - Clärchens Ballhaus - beim dortigen "Schwoof"-Freitag schon ausgiebigst meine Tanzbeine geschwungen. Zwischen älteren Semestern - zumeist einjessenen Berlinan wa?- und vom Silvester-am-Brandenburger-Tor-Feiern übrig gebliebenen Studenten-Cliquen aus Australien, Spanien, Italien oder woher auch immer. Party-Feeling pur! Genauso wollte ich es Samstag haben!
War meine Vorfreude einfach zu groß oder steckte noch zu viel Berliner Großstadtspirit in mir oder warum ließ mich das Augsburger Pendent eher enttäuscht und ratlos zurück?
Die Musik war gut, ich hatte aber irgendwie mehr erwartet. Noch mehr 70er Knaller und weniger 90er Eurodance(trash)! Da bin ich übrigens noch nicht altersmilde geworden. Was ich früher - öhhhm- kacke fand, geht auch jetzt nicht. Meinen Körper bewegen zu Dr. Alban? No way! Und Vira machte es mir nicht einfach. Sie mixte mehr oder weniger wild durcheinander. Funk folgte Rock folgte New Wave, aber immer songweise. Seltenst kamen mal drei, vier Lieder der gleichen Musiksparte hintereinander. Hieß für mich also, rauf auf die Tanzfläche, runter von der Tanzfläche. Nervig! Doch den Augsburgern - genauer gesagt den Augsburgerinnen (schätze, mindest 80 % des Publikums waren weiblich) war's wurscht: sie tanzen auf alles!!! Mit zwei Ausnahmen. Beziehungsweise drei, wenn man ganze Musikepochen miteinbezieht. Bei gaaanz alten Krachern, also Rock 'n' Roll und 60s-Beat à la Shocking Blue's Venus lichtetete sich die Tänzercrowd sichtlich. Komplette Tanzflächenleerfeger waren allerdings zwei Songs: Nirvanas Smells like teen spirit und Cantaloop von US3. Was seeehr viel über die Vorlieben der Anwesenden aussagt: Mainstream ja, alternative nein! Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte einen Flashback. Augsburg. Mitte der 80er. Sonntag Nachmittag. Teenieparty im "Life" in der Hermanstraße. Es wimmelte auf der Tanzfläche nur so von dauergewellten, Pony hochtoupierten Mädels in pastellfarbenen Benetton-Outfits, die zu C.C. Catch oder Italo Disco kleine Seitwärtsschrittchen machten. Der über die Schulter gelegte Pulli durfte schließlich nicht verrutschen. Meine Freundin Moni und ich standen schwarz gewandet in der hintersten, dunkelsten Ecke, beäugten skeptisch die Szenerie und warteten auf unseren Einsatz. Irgendwas von The Cure oder Are friends electric von Gary Numan. Halt irgendwas Cooles, Nicht-Tussiges. Wir waren schließlich Waver, ha! Zugegeben, wir waren eindeutig in der Minderheit, die Masse war Mainstream.
Als ich vorgestern Nacht meinen Blick über die versammelte weibliche Tanzgemeinde schweifen ließ, wie sie bei "Sing Hallelujah" in Ekstase geriet, da kamen mir die Gesichter irgendwie seltsam bekannt vor. Nur 30 Jahre älter. Und die Dauerwellen waren praktischen Kurzhaarfrisuren gewichen...