Sonntag, 16. Juni 2013

Eine Liebeserklärung an Odessa

Hotel "Bolshaya Moskovskaya"
Zugegeben, Odessa macht’s einem leicht mit der Liebe. So grün, so künstlerisch, so lebendig und gleichzeitig voll morbidem Charme ist die Stadt am Schwarzen Meer. Ich bin nunmal ein Häuserfan. Nichts finde ich langweiliger als stundenlang durch die Natur zu radeln oder gar zu wandern. Sehe ich aber Häuserzeilen an mir vorbeiziehen, zeige ich auf dem Drahtesel keinerlei Ermüdungserscheinungen, … zumindest keine geistigen. Lieber noch flaniere ich allerdings. Ziellos herumstromern, dabei manch verstecktes  Kleinod entdecken und ganz nebenbei sämtliche Sehenswürdigkeiten „mitnehmen“.  So sieht "Städteglück" für mich aus. Und genauso war es in Odessa. Die ukrainische Metropole hat dafür genau die richtige Größe. Obwohl Millionenstadt, ist die Innenstadt problemlos "erlaufbar". Und bei den Spaziergängen erahnt man den Stellenwert, den die 1794 von Katharina der Großen gegründete Stadt mal hatte. Innerhalb von 30 Jahren entwickelte sie sich zu einer der wichtigsten europäischen Handelsmetropolen. Breite, baumgesäumte Boulevards durchziehen schachbrettartig das ganze Zentrum und man spürt ihn förmlich, den großbürgerlichen Flair des 19. Jahrhunderts. Architekturfreaks wie ich kommen aus dem Staunen gar nicht mehr raus und packen die Fotokamera bzw. das Smartphone gar nicht mehr weg. Gründerzeit zur linken, Jugendstil zur rechten. Hier eine wunderschön verzierte Eisenwendeltreppe, dort ein Bronzerelief à la Wiener Secession. Vieles ist renovierungsbedürftig, aber trotzdem schön. Schön im Sinne von Wehmut und leichter Melancholie, die sich in mir bei solchen Anblicken dann immer breit macht. Außerdem tut sich was. Ende dieses Jahres eröffnet beispielsweise das Grandhotel "Bolshaya Moskovskaya" von 1904 in neuem Glanz. Der äußere ist schon wieder originalgetreu hergestellt, am inneren wird gerade noch gewerkelt. Wir sind jeden Tag dran vorbei gelaufen und ich mußte jeden Tag stehen bleiben und konnte mich nicht dran satt sehen: an der eindrucksvollen Fassade mit ihren unzähligen Details. Und genau diese Detailversessenheit findet sich auch im modernen Odessa: in den Ladeneinrichtungen vieler Boutiquen, Cafés und Restaurants. Alles wirkt liebevoll durchdacht. Mal witzig, mal schrullig, mal stylish clean, mal folkloristisch. Herübergerettet in die "Neuzeit" hat sich auf jeden Fall auch die Weltoffenheit der Odessiten. Trotz Verständigungsschwierigkeiten - wer mehr als 5 Worte Russisch kann wie ich, ist eindeutig im Vorteil - hatte ich nur sympathische Begegnungen.
Ein paar Besonderheiten, die mich besonders in Verzückung geraten ließen, werde ich die nächste Zeit hier noch vorstellen...

 
Hotel "Bolshaya Moskovskaya"

Standseilbahn "Funicular" 1902
"Funicular" 2013

Mittwoch, 12. Juni 2013

TAG DER SOUNDNOMADEN am 16. Juli 2013 auf dem Grenzenlos-Festival in Augsburg

Augsburgs Tollwood geht in die letzte Runde. Es ist also wieder Grenzenlos-Festival-Zeit. Und das Wetter hält!
Das Programm für den Finaltag wurde von KarmaN e.V. zusammengestellt, dem lokalen Gipsy-Balkan-Worldmusic-Crossover-Spezialisten. Musikalisch könnte es daher nach meinem Geschmack werden. Ganz sicher bin ich mir da allerdings noch nicht.
Es spielen DONNERBALKAN aus München, KABALLAH aus Marseille und
THE ZURELIA ORCHESTRA aus Rumänien.
Irgendwas stört mich bei allen Musikvideos. Mal sind es die schrillen Frauenstimmen, mal die lieblos klingenden Kompositionen. Außerdem dünkt mir, dass so manche Öki-Truppe auf Selbstfindungstrip - in meinem internen Sprachgebrauch daher seit jeher... öhhm... Therapiegruppe genannt- die Sambatrommeln beiseite gestellt hat und auf Trompete und Posaune umgeschwenkt ist. Wird Gipsy-Fusion so allmählich inflationär? Kann wirklich jeder "Balkan"?
Aber guckt und hört selbst:


THE ZURELIA ORCHESTRA waren übrigens beim diesjährigen ESC-Vorentscheid in Rumänien dabei. Dass es mit dem Ticket nach Malmö nix wurde, wundert mich nicht...

Samstag, 25. Mai 2013

Viele, viele bunte Bildchen...

„I was within, I was without… “. Diese Worte kommen Tobey Maguire in seiner Rolle als Nick Carraway mehrfach über die Lippen, wenn er über sich und die exaltierte Gesellschaft rund um den Neureichen Jay Gatsby spricht. Fühlt er sich dieser Welt in gewisser Weise zugehörig, irgendwie aber auch nicht. Ist also zugleich Außenseiter. Ich war Mittwochabend eindeutig nur letzteres: without. Außenstehend. 142 geschlagene Minuten! Ich wurde und wurde nicht warm mit Baz Luhrmans Gatsby-Verfilmung.
Die Frage ist natürlich, was man von einem Film will oder erwartet. Ich muß immer Teil des Ganzen werden, within sein. Vergessen, im Kinosessel zu sitzen und Schauspielern beim Mimen zuzugucken. Woran lag’s denn, dass aus mir und „The Great Gatsby“ bis zur letzten Einstellung nichts wurde?
David Kleingers hat die Antwort. Ich könnte es nicht besser formulieren. Lediglich die Frage, ob Luhrmans Gatsby trotz allem sehenswert ist, würde ich verneinen. Für mich war es Zeitverschwendung. Da halfen auch die schönen Prada-Kleider nichts mehr. "Dank" der pfeilschnellen Filmschnitte konnte mein Auge kein Sekündchen an einem der Flappergirls verweilen. Und dass man für einen Gatsby à la Baz Luhrman dreihundertzweiundzwanzigoh BOY“s drehen kann, darüber will ich gar nicht weiter nachdenken. Die Geschmäcker sind aber bekanntlich verschieden: Meine beiden Begleiterinnen fanden den Film gut…

Montag, 20. Mai 2013

Vladimir Vysotsky oder was Leander Haußmann mit einem russischen Graffiti-Künstler zu tun hat

Vladimir Vysotsky (1938 - 1980) wurde oft der russische Bob Dylan genannt. Legte er doch genau wie sein US-amerikanischer Sängerkollege die Finger in die Wunden der Gesellschaft. Ein unbequemer Geist. Beim Volk beliebt, bei den Regierenden weniger.
Auch der Streetart-Künstler Pavel 183 aus Moskau hatte ein berühmtes Pendant im Westen. Galt er doch als die russische Antwort auf den britischen Streetart-Star Banksy. Regimefeindliche Graffitis und Guerilla-Aktionen. So sieht Gesellschaftskritik 2013 aus. Trotzdem hat die russische Jugend Vysotsky nicht vergessen. Pavel setzte dem Liedermacher in Paris ein Denkmal. Leider eines seiner letzten Werke, starb Pavel Pukhov doch völlig überraschend Anfang April. Mit nur 29 Jahren:
 
Aber was hat das alles mit Leander Haußmann zu tun? Für Leanders Film-Adaption von Gernot Grickschs Roman "Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe" sollte natürlich Bob Dylan (geboren als Robert Zimmerman) auf den Soundtrack. Spielt der Mann doch inhaltlich eine nicht unwichtige Rolle in der Tragik-Komödie von 2008. Aber Bob wollte nicht. Also wich Leander auf den russischen Dylan aus. Und bescherte dem Film beim St. Petersburger Filmfestival unerwarteten Erfolg.
"Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe" läuft diesen Freitag um 23:30 in der ARD. Angucken! Tom Schilling in der Hauptrolle ist herrlich trocken-komisch.
Der Film steckt voller schrullig-schriller Nettigkeiten. Leander Haußmann eben. Ich bin immer wieder überrascht, wieso 4,3 Millionen Leutchen in "Kokowääh" marschieren, eine intelligente Komödie wie diese von Leander dagegen nur 110.000 Zuschauer ins Kino lockt.


Ob Zufall oder nicht, kann ich nicht sagen:
Diesen Freitag ist übrigens auch DVD-Verkaufsstart von "oh BOY".
Wer es also bisher nicht ins Lichtspieltheater geschafft hat, kann das Filmjuwel ab 24. Mai im Heimkino genießen...

Samstag, 18. Mai 2013

Charles Trenet ~ bon anniversaire!

Der Gute wäre heute 100 Jahre alt geworden! Hoch die Tassen!

Freitag, 17. Mai 2013

Im Osten viel Neues

© Photo: Synchrodogs, MASHA REVA
Mode aus der Ukraine? Mode jenseits folkloristischer Spitzenklöppeleien und floral Besticktem?
Jawoll, gibt’s! Bestes Beispiel: das Label SYNDICATE. Sportliche US-Streetware gepaart mit skandinavischen Minimalismus. Lokalkolorit ist nicht unbedingt erkennbar. Moderne, urbane Mode in guter Qualität. Das ist das Konzept. SYNDICATE ist eine Talentschmiede, in der jungen ukrainischen Künstlern, Illustratoren und Modedesignern eine Platform für ihre Ideen geboten wird. Ausgefallene T-Shirt-Prints und kleine Sonderkollektionen warten so auf ihre Käufer.
Der Webshop ist höchst professionell gemacht.

Meine Entdeckung ist Masha Reva, eine Mode-Designerin aus Kiew. Sie hat 2012 für SYNDICATE eine kleine, aber extrem feine Sweatshirt-Kollektion mit botanischen Riesenprints entworfen. Leider bin ich zu spät. Alles ausverkauft. Aber gucken kann man noch. Masha hat nach ihrem Studium und Stationen bei Thakoon und Walter Van Beirendonck ihre eigene Modelinie auf die Beine gestellt. Der belgische Einfluß ist unverkennbar. Ihre Modelle für den Shop Atelier 1 gehen in Richtung einer Ann Demeulemeester. Antwerpener Dekonstruktivismus aus Kiev. In der letzten Kollektion „Merging“ entdecke ich kitschige Rosen. Ich geb’s zu: Ich stehe halt doch auf folkloristisch Spitzengeklöppeltes und floral Besticktes.
Wir sind hier schließlich auf matrjoschka-dawaj!
© Photo: Synchrodogs, MASHA REVA


Dienstag, 14. Mai 2013

Vom Expressionismus bis zur Postmoderne - Architekturmuseum Schwaben

Am 1. Mai stand ein kleiner Familienausflug auf dem Programm. Mit Kultur. Eigentlich wollten wir mal wieder ins Textilmuseum. Eigentlich. Das tim hatte zu. Wie nahezu alle Museen am Tag der Arbeit. Bloß wohin stattdessen? "Ins Architekturmueseum" war die Antwort meines Vaters. Architekturmuseum? In Augsburg??? Tja, da wohnt man nun -mit kleinen Unterbrechungen- 33 Jahre in der bayerisch-schwäbischen Provinzmetropole ;) und entdeckt so ein Kleinod erst 18 Jahre nach seiner Eröffnung.
Was ist los mit mir? Das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ich kulturtechnisch nicht auf der Höhe eben dieser bin. Das wurmt mich gewaltig, gelte ich doch in meinem Freundeskreis als Trüffelschweinchen, was kulturelle Entdeckungen des besonderen Art angeht. Ich tröste mich - wie schon bei Tom Schillings Schauspielkünsten- mit dem Mantra: Für Gutes ist es nie zu spät:
Das kleine Museum liegt am Rande des Thelottviertels, der wunderschönen, 1905 erbauten Gartenstadtsiedlung, konzipiert vom Augsburger Architekten Sebastian Buchegger (1879-1929). Das ehemalige Wohnhaus (unbedingt den Garten anschauen!) von Sebastian Buchegger beherbergt die Zweigstelle des Architekturmuseums der TU München. Ziel der Sammlung und der Ausstellungen ist es lebendiger Mittelpunkt der schwäbischen Architektur zu sein. Zur Zeit werden unter dem Titel "Vom Expressionismus bis zur Postmoderne" ungehobene Schätze aus dem Archiv gezeigt.
Bei einigen Modellen oder Fotos hatte ich sogar ein bißchen Wehmut. Verbindet mich mit manchem Augsburger Bauwerk doch mehr als ich dachte. Stilvoll Flanieren im 1973 erbauten Schwabencenter? Kann sich heutzutage keiner mehr vorstellen. Ich zumindest nicht. Anfang der 80er sah das noch anders aus. Sowohl der Stil der Geschäfte, als auch der Flanierenden.
Hans von Peschke
Hans von Peschke

















Regelrecht verliebt habe ich mich in das 50er Jahre Design von Hans von Peschke (1927-2006). Wohnhäuser, Büros und Ladeneinrichtungen. Von Peschke verband zwei komplett unterschiedliche Strömungen der damaligen Zeit. Er beherrschte wie kaum ein anderer den Spagat zwischen Bauhaus und Nierentisch. Wunderbar auch seine Skizzen. Die besondere Stilistik. Strichführung  in der Wirtschaftswunderzeit.
Gerd Wiegand: Parkhaus "Grottenau" Augsburg, 1956/57
Trendy war Augsburg zu dieser Zeit auch beim Thema Parken. So entstand am Ernst-Reuter-Platz von 1956-1957 die erste Hochgarage Süddeutschlands: das Parkhaus „Grottenau“, geplant vom Münchner Architekten Gerd Wiegand (1922-1994). Sehr futuristisch.
Wir bleiben in der Nierentisch-Ära. 1954 entwarf Gerhard Ludwig (1913-1997) ein Autohaus. Das Autohaus Edgar Meyer am Kitzenmarkt. Mein persönliches Highlight der Ausstellung.
Diese Wendeltreppe!!! Leider, leider existiert das Ganze so nicht mehr:
Gerhard Ludwig: Autohaus Edgar Meyer, Augsburg 1954 (Foto: Inge Vogel)
Die Ausstellung gibt auch einen Einblick in die miserable Wohnsituation Ende der 20er.
Fotos, Dokumente, Zeitungsartikel. Armut überall. Weltwirtschaftskrise.
Deprimierend, aber sehenswert.

Wer sich die interessanten Exponate anschauen möchte, hat nur noch bis Pfingstsonntag Zeit. Lohnt sich! 

Sonntag, 5. Mai 2013

"oh BOY" in Dießen am Ammersee

In Augsburg wird es mit "oh BOY" wohl erst mal nichts mehr.
Aber der Ammersee ist ja nicht weit. "oh BOY" läuft kommende Woche von Montag bis Mittwoch um 18:45 im Kino in Dießen. Reingehen!!! 

Samstag, 4. Mai 2013

SUSEJ vs. HEAVEN

Die Helden meiner Jugend.
Die erste Platte.
1982. Depeche Mode. "A broken frame"...
Die erste Schwärmerei. Einstürzende Neubauten. Mann, fand ich Blixa Bargeld toll...
30 Jahre sind vergangen und sie sind immer noch da. Und wie!
Vielleicht sogar noch besser als früher. Einfach schön...

Mittwoch, 1. Mai 2013

Was eine Schauspielstunde so alles über einen verrät

Letzte Woche war es soweit. Meine erste Schauspielstunde in einem kleinen Theater in Augsburg. Ich war die einzige Anfängerin. Prima, schließlich lernt man am besten von denen, die es können. Thema des Abends war Improvisation. Nach ein bißchen Lockerung ging es schon los mit kleinen Impro-Übungen.
Den Kopf ausschalten, die Logik Logik sein lassen und einfach mal kompletten Nonsens fabulieren. Schwer! Umso schöner, wenn es dann plötzlich klappt. Sofort auch die Erkenntnis, wie sehr das Ganze ein Geben und Nehmen ist. Wie abhängig man von seinem Gegenüber ist. Wenn Spielpartner harmonieren, einer den anderen gewähren läßt, können kleine, besondere Momente entstehen. Und wenn nicht?
Wenn man es drauf anlegt, kann man den Partner auch am langen Arm verhungern lassen. Klingt jetzt drastisch. So schlimm war es auch gar nicht. Aber Konkurrenzdenken und Neid sind der Killer jedes fruchtbaren Schauspiel-Miteinanders. Das war mir an diesem Abend sofort klar.
Und leider noch etwas anderes. Meine Abneigung gegenüber gekünstelter, übertriebener Spielweise. Da habe ich wirklich über mich gestaunt, wie sehr mich das nervt.
Nicht nur in Toleranz muß ich mich also noch üben.

Selten in 120 Minuten so viel über mich erfahren. Ich freu mich schon auf die zweite Stunde...