Montag, 13. Oktober 2014

"Never be afraid to stop traffic"

ist das Motto von Iris Apfel. Ute Patel-Missfeldt redet "Vom Vergnügen anders zu sein."
Beide Ladies meinen dasselbe. Beide Ladies sprechen mir aus dem Herzen. Und: Beide Ladies sind jenseits der 70.
Müßte ich mich auf eine einzige Stilikone festlegen, meine Wahl fiele ohne Zweifel auf Iris Apfel.
Der Begriff Statement-Jewellry müßte für sie erfunden werden, gäbe es ihn nicht schon. Keiner kombiniert Unmengen von Modeschmuck in so nonchalanter Weise wie die 93 (!)-jährige New Yorkerin. Die vor laaanger Zeit mal Interior-Designerin war. Mittlerweile kann sie sich vor Kreativ-Anfragen jeglicher Art nicht mehr retten und macht mal eben Schuhmode. Oder gibt eine Brillenkollektion raus. Naheliegend. Ist doch das schwarze riesige Wagenrad auf Iris Apfels Nase ihr Markenzeichen schlechthin. Seit letzter Woche ist sie nun Testimonial für Other Stories, meinem Lieblingsableger aus dem Schweden-Konzern namens H&M. Und sie beweist mal wieder, dass Mode und Stil eindeutig keine Fragen des Alters sind, ein blaues Printkleid eine 25-Jährige kleidet, aber eben auch eine fast Hundertjährige. Kommt halt auf die Ausstrahlung und die innere Einstellung an.


 © Ari Seth Cohen for Other Stories

Aber man muß nicht unbedingt über den großen Teich. 50 Kilometer nördlich von Augsburg - in Neuburg an der Donau- wohnt eine nicht minder kreative Künstlerin mit Hang zum Außergewöhnlichen: Ute Patel-Missfeldt. Malerin. Karikaturistin (für mich persönlich das weibliche Pendant zu Manfred Deix.
Ihre Weibsbilder! Herrlich!!!). Dozentin. Buchautorin. Opernintendantin. Modesignerin. Organisatorin der weltgrößten Hutmesse, etc. Und das mit dem traffic stop könnte sich in Neuburg durchaus schon ereignet haben. Riesige Hüte und handbemalte Seidenroben sind halt nicht alltäglich in der Provinz. Die gebürtige Bremerhavenerin Ute Patel-Missfeldt ist nicht zu übersehen und leistet fleißig Überzeugungsarbeit contra Mainstream. Motto:
"Die Normalität ist eine gepflasterte Straße.
Man kann gut auf ihr gehen, doch es wachsen keine Blumen auf ihr."*
Der BR drehte vor einigen Jahren die wunderbare Reportage Vom Vergnügen anders zu sein über die Künstlerin im Rahmen der Reihe "Lebenslinien". Gerade erschien die gleichnamige Biografie.
Ich habe sie in einem Tag verschlungen. Absolut lesenswert!



Iris Apfel und Ute Patel-Missfeldt beweisen mal wieder, dass Modebewußtsein nichts mit Oberflächlichkeit  zu tun hat. Gerade in Deutschland wird modisch gekleideten bzw. interessierten Menschen gerne mal unterstellt, nix in der Birne zu haben. Man wird skeptisch beäugt. Im Umkehrschluss bleibt Frau lieber underdressed, damit andere ja nicht denken, man hätte sonst nichts auf dem Kasten. Mode gehört hierzulande leider nicht zum geschätzten Kulturgut. Ganz anders in Frankreich. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt...
Und dann ist natürlich noch die Sache mit dem Alter. Die Angst, unsichtbar zu sein, nicht mehr wahrgenommen zu werden. Eine 73- und eine 93-Jährige machen vor, wie es geht. Wer gerne noch mehr aufmunternde Beispiele contra praktischem Kurzhaarschnitt & Dehnbundhose hätte, werfe doch mal einen Blick auf den Blog Advanced Style von Ari Seth Cohen!    

* aus dem Buch Vom Vergnügen anders zu sein von Ute Patel-Missfeldt und Karina Albrecht