Hotel "Bolshaya Moskovskaya" |
Zugegeben, Odessa macht’s einem leicht mit der Liebe. So grün, so künstlerisch, so lebendig und gleichzeitig voll morbidem Charme ist die Stadt am Schwarzen Meer. Ich bin nunmal ein Häuserfan. Nichts finde ich langweiliger als stundenlang durch die Natur zu radeln oder gar zu wandern. Sehe ich aber Häuserzeilen an mir vorbeiziehen, zeige ich auf dem Drahtesel keinerlei Ermüdungserscheinungen, … zumindest keine geistigen. Lieber noch flaniere ich allerdings. Ziellos herumstromern, dabei manch verstecktes Kleinod entdecken und ganz nebenbei sämtliche Sehenswürdigkeiten „mitnehmen“. So sieht "Städteglück" für mich aus. Und genauso war es in Odessa. Die ukrainische Metropole hat dafür genau die richtige Größe. Obwohl Millionenstadt, ist die Innenstadt problemlos "erlaufbar". Und bei den Spaziergängen erahnt man den Stellenwert, den die 1794 von Katharina der Großen gegründete Stadt mal hatte. Innerhalb von 30 Jahren entwickelte sie sich zu einer der wichtigsten europäischen Handelsmetropolen. Breite, baumgesäumte Boulevards durchziehen schachbrettartig das ganze Zentrum und man spürt ihn förmlich, den großbürgerlichen Flair des 19. Jahrhunderts. Architekturfreaks wie ich kommen aus dem Staunen gar nicht mehr raus und packen die Fotokamera bzw. das Smartphone gar nicht mehr weg. Gründerzeit zur linken, Jugendstil zur rechten. Hier eine wunderschön verzierte Eisenwendeltreppe, dort ein Bronzerelief à la Wiener Secession. Vieles ist renovierungsbedürftig, aber trotzdem schön. Schön im Sinne von Wehmut und leichter Melancholie, die sich in mir bei solchen Anblicken dann immer breit macht. Außerdem tut sich was. Ende dieses Jahres eröffnet beispielsweise das Grandhotel "Bolshaya Moskovskaya" von 1904 in neuem Glanz. Der äußere ist schon wieder originalgetreu hergestellt, am inneren wird gerade noch gewerkelt. Wir sind jeden Tag dran vorbei gelaufen und ich mußte jeden Tag stehen bleiben und konnte mich nicht dran satt sehen: an der eindrucksvollen Fassade mit ihren unzähligen Details. Und genau diese Detailversessenheit findet sich auch im modernen Odessa: in den Ladeneinrichtungen vieler Boutiquen, Cafés und Restaurants. Alles wirkt liebevoll durchdacht. Mal witzig, mal schrullig, mal stylish clean, mal folkloristisch. Herübergerettet in die "Neuzeit" hat sich auf jeden Fall auch die Weltoffenheit der Odessiten. Trotz Verständigungsschwierigkeiten - wer mehr als 5 Worte Russisch kann wie ich, ist eindeutig im Vorteil - hatte ich nur sympathische Begegnungen.
Ein paar Besonderheiten, die mich besonders in Verzückung geraten ließen, werde ich die nächste Zeit hier noch vorstellen...