Express-TV-Tipp: "Unsere Mütter, unsere Väter" am 26., 27., 28. August 2013 auf 3sat
Ich geb's ja zu, ich habe bei der Erstausstrahlung -im ZDF, kurz vor Ostern- eigentlich nur reingeschaltet, um hübsche 40er-Jahre Kleidchen zu Gesicht zu bekommen. Erwartet habe ich das ansonsten typische Nico Hofmann-TV-Format: viel Herz-Schmerz und etwas Drama in schönen Bildern vor zweiter Weltkriegskulisse. So à la Hindenburg. Doch es kam anders:
Unsere Mütter, unsere Väter ist extrem, kompromisslos, modern und verzichtet auf jeglichen Kitsch.
Ich kann mich nicht erinnern, dass mich ein
Fernsehfilm zur Thematik "zweiter Weltkrieg" so berührt hat, höchstens vielleicht Holocaust,
aber das ist knapp 35 Jahre her. Warum lassen mich dagegen
aufwendigst produzierte TV-Dramen wie eben "Hindenburg" erstaunlich
kalt, obwohl ebenso mit historischem Bezug und tragischer Story?
Das liegt meiner Meinung nach an den zumeist aalglatten
Inszenierungen und eindimensional angelegten Charakteren. Man wird als Zuschauer nicht
mitgenommen, nicht emotional berührt. Regie bei "Hindenburg" führte Philipp Kadelbach. Interessanterweise bei "Unsere Mütter, unsere Väter"
auch… Doch was ist bei "Unsere Mütter, unsere
Väter" anders? Das Drehbuch! Es ist grandios! Die Entwicklung, die jede der fünf Hauptfiguren macht,
ist zu hundert Prozent glaubwürdig und
somit für den Zuschauer absolut nachvollziehbar und „erfühlbar“. Auf
Stereotypen wird gänzlich verzichtet. Ebenso auf jegliche
Melodramatik. Gerade das tut dem Film unheimlich gut, macht ihn
schonungslos und modern. Dem Zuschauer wird viel abverlangt und
auch das ist gut so. Wobei auf viele noch radikalere und
blutigere Szenen verzichtet wurde, wie ich gelesen habe. Meine
Hochachtung eh vor den "Schnittmeistern". Aus 150 (!) Stunden Material 4,5 Stunden so perfekt und
schlüssig zusammenzuschneiden grenzt für mich eh an ein Wunder.
Doch all das wäre nichts ohne die Glanzleistung der fünf
Hauptakteure. Ein gelungener Coup war es sowieso, fünf "unverbrauchte" Gesichter zu
nehmen.
So ist man den Figuren gleich mal näher. Hätte allerdings nix
geholfen, wenn sie mittelmäßig gespielt hätten. Tom Schilling hat mich umgehauen. Einige
seiner Szenen sind so intensiv, dass es weh tut. Gerade die "stummen". Die Augenblicke - im wahrsten Sinne
des Wortes. Allein in Tom Schillings Gesichtsausdruck wird die
extreme Wandlung, die sich im Inneren der Figur Friedhelm Winter
abspielt, sichtbar. Vom sensiblen Pazifisten zum gefühlskalten Befehlsausführer. Oscarreif!
Wer diesen Dreiteiler kurz vor Ostern verpaßt hat und sich nur ein bißchen für unsere Geschichte interessiert, muß heute und die nächsten zwei Tage um 20:15 3sat einschalten!